Silvan Rutz
Silvan Rutz
03.02.2023

ICT - Ausflug zum Zauberwald

4. Januar 2023 - Ein Ausflugsprotokoll

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17.10 Uhr

Ich frage mich langsam, aber sicher wo, dass Silvan bleibt. Wir hatten abgemacht, dass er mich um 17.00 Uhr in der Stadt abholt. Bis zur Lenzerheide haben wir gemäss Navi schliesslich mit Feierabendverkehr etwa 1.5 Stunden. Etwas Vorbereitungszeit bräuchten wir auch und die Show fängt bereits um 20.15 Uhr an…

17.20 Uhr

Hastig laufe ich auf den silbernen Volvo S60 zu, aus welchem laute, melancholische Musik dudelt – dies kann ja nur Silvan sein, der da wartet. Als ich die Tür aufmache, werde ich von seinen netten Knopfaugen und einem «Hooooi» begrüsst. Ich schmeisse mein Zeugs auf den bereits etwas zugestellten Hintersitz und lasse mich in das, zu meinem Erstaunen, wirklich äusserst bequeme Leder plumpsen. Silvan startet den Motor und wir gurken los.

17.35 Uhr

Nachdem Silvan und ich uns mit der Navigation und der Innenstadt Zürichs einigermassen angefreundet haben, erzählen wir uns gegenseitig von unserem Tag. Bei mir war nicht viel los, der alltägliche Bürokram halt. Bei Silvan ist etwas mehr Action im Spiel gewesen. Er erzählt mir von seinem unglücklichen Velo-Selbstunfall, bei welchem er sich den Kopf am Asphalt angeschlagen hat. Ich schaue auf seinen Kopf und sehe die Beule, die in der Grösse eines halben Apfels herausragt und habe Mitleid mit ihm. Er erzählt davon, dass ihm wegen des Aufpralls bis vorhin noch übel war und er Konzentrationsschwierigkeiten gehabt hat und ich frage ihn, ob nicht lieber ich fahren soll. Silvan dankt freundlich ab und ich bange in Stille um mein Leben.

18.15 Uhr

Der Volvo braucht Saft und ich brauche Futter. Deshalb halten wir kurz an einer viel zu überteuerten Raststätte und Silvan macht sich über die Tanksäule her, während ich mir überlege, was der Tankstellenshop wohl alles an Abendessen hergibt. Als der Volvo Benzin im Wert von 100.- runtergeschlungen hat, laufen wir in den Tankstellenshop hinein. Ich war wohl nicht die einzige mit Hunger, denn das Kühlregal ist so gut wie leergefegt. Nach reichlichem Betrachten der verwahrlos übriggebliebenen Brötchen, entscheide ich mich für ein viel zu grosses Käsesandwich. Wir bezahlen und schlagen unsere Fährte wieder ein.

19.05 Uhr

Mittlerweile ist es stockfinster. Nach unzähligen Kurven sind wir wohlauf in der Lenzerheide angekommen. Wir fahren Richtung Zauberwald, Silvan scheint sich auszukennen und ich erinnere mich an die vielen Ausflüge im Auto mit meiner Mutter früher. Vor dem Parkplatz des Zauberwaldes werden wir von einer Dame mit oranger Leuchtuniform und Leuchtkegel angehalten. «Hier können Sie nicht rein, ist bereits alles voll» meint sie mit freundlicher aber bestimmter Stimme zu uns. Ich möchte mich bedanken und der netten Dame einen schönen Abend wünschen, da kommt mir Silvan zuvor; «Wissen Sie, wir sind das Kamerateam». Die Verkehrslotsin und ich schauen Silvan verdutzt an. «Achso, haben Sie denn auch eine Bewilligung?» fragt sie, genauso freundlich wie beim ersten Mal. «Nein, aber wir rufen schnell an und organisieren alles», sagt Silvan mit grösstem Selbstvertrauen und ich befürchte, dass wir bloss unnötig Zeit verschwenden. Die nette Dame mustert uns nochmals aber gibt schliesslich nach und teilt uns mit, dass wir etwas weiter vorne kurz anhalten dürfen, um zu telefonieren. Wir rollen also weiter durch den Parkplatz, doch statt wie angewiesen vorne anzuhalten, fährt Silvan einfach weiter, den ganzen Weg entlang durch eine riesige Menschenmasse, bis er seinen Volvo schliesslich auf einem Parkplatz des Organisationskomitees abstellt. Ich muss mich wohl nun damit abfinden, dass wir zum OK gehören, da Silvan keinerlei Anstalten macht, wieder zurückzufahren.

19:20 Uhr

Warm eingepackt, mit einer Canon EOS 90d und einer Canon EOS 60d, einem Mikrofon und einem Stativ ausgerüstet, bewegen wir uns Richtung Eingang des Zauberwalds. Doch da wartet bereits die nächste Hürde; die Eintrittskontrolle. Wir haben weder Tickets, noch haben wir einen Platz auf der Gästeliste ergattern können. Wir versuchen es also nochmals mit unserer neuen Kamerateam-Identität, doch die zwei Damen an der Ticketausgabe sind knallhart und somit kaufen wir etwas widerwillig zwei Tickets für insgesamt CHF 80.-. Für Marius Bear machen wir schliesslich alles.

19:40 Uhr

Mittlerweile sind wir mitten im Getümmel angelangt und bis zum Konzert geht es noch über eine halbe Stunde. Wir beschliessen, uns im Zauberwald noch etwas auszutoben. Beim Durchlaufen werden wir von den verschiedenen, atemberaubenden Kunstwerken begrüsst, welche von internationalen Künstlern und Künstlerinnen aus Rumänien, Spanien, Frankreich und aus den Niederlanden kreiert wurden. Silvan und ich fallen förmlich in Transe und können von den Lichterspektakeln nicht genug bekommen. Plötzlich werde ich aus meinem Film gerissen; Marius ruft an. Er meint, wir sollen doch zur Bühne nach vorne kommen. Ich schaue auf die Uhr und merke, dass wir völlig die Zeit aus den Augen gelassen hatten.


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Foto: Silvan Rutz

20:10 Uhr

Wir stehen links von der Bühne und blicken hoch zum Eingang vom «Star-Stübli», wo sich die Band und Marius aufhalten. Silvan stapft wieder völlig selbstbewusst an der Absperrung vorbei und die Treppe hoch, ich folge ihm brav auf Schritt und Tritt. Wir bleiben vor dem Stübli stehen und besprechen kurz, wer wo filmt, als plötzlich Marius seinen Kopf aus der Türe streckt. «Ihr seid schon da! Cool, ihr könnt gerne auf der Bühne filmen. Am besten da, da und dort.» Silvan und ich müssen uns zusammenreissen, damit unsere Kinnladen nicht herunterfallen. Dass wir auf der Bühne filmen dürfen, damit hätten wir nicht gerechnet. Völlig aus dem Häuschen bereiten wir uns auf die Show vor und lassen uns von der Aufregung der Band anstecken. It’s showtime!

21:15 Uhr

Seit knapp einer Stunde ist die Show voll im Gange und Silvan und ich sind von dem Publikum und von der unglaublichen Show absolut hin und weg. Dass es knapp -10 Grad ist, spüren wir kaum noch. Wir filmen auf der Bühne, mitten im Publikum, zwischen den Bäumen und auf der Terrasse gegenüber. Insgesamt brauchen wir zwar nur etwa 2 Minuten Filmmaterial, das was wir aber im Kasten haben, reicht eigentlich schon für eine stündige Doku aus. Trotzdem können wir nicht aufhören zu Fotografieren und Filmen, dafür macht es einfach zu viel Spass.

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Foto: Silvan Rutz



22:00 Uhr

Die letzte Zugabe ist gespielt und die Band verlässt die Bühne, da stürmen auch schon alle Fans zum Bühneneingang links, wo es nun eine Autogramm-Stunde gibt. Ich habe keine Chance an der Meute vorbeizukommen und entscheide mich also dafür, mir einen Glühwein zu gönnen. Alleine stehe ich da und lasse den Abend nochmals auf mich einwirken. Dick eingepackte Leute trotten den nassen Weg entlang, Richtung Ausgang und an mir vorbei. Man kann das Endorphin förmlich in der Luft riechen und die vielen strahlenden Gesichter sprechen Bände. Was für ein schöner Kontrast zu den gestressten Visagen voller Sorgen und Zweifel, welche mir sonst täglich bei der Bahnhofstrasse in Zürich entgegenblicken. Die vielen schönen Eindrücke wirken immer noch auf mich ein, wie der süsse Nachgeschmack eines Donuts auf der Zunge und geben mir ein wohlig warmes Gefühl im Bauch (wobei das vielleicht auch einfach nur der Glühwein ist). Immer noch in Gedanken versunken gehe ich zurück zum «Star-Stübli» und bereite mich mental auf die Rückreise vor.

22:30 Uhr

Als ich in die kleine Stube eintrete, kommt mir eine warme, leicht alkoholisch riechende Luft entgegen. Silvan sitzt auf der Couch und geht seine Aufnahmen durch, während die Band ausgelassen miteinander quatscht. Auch ich setze mich hin um die ersten Bilder zu begutachten, da fragt uns Marius, ob wir mit ihm und der Band noch feiern gehen wollen. Ein kurzer Blick zu Silvan rüber reicht aus, um zu entziffern was er davon haltet. Wir sind beide dabei! Gemeinsam packen wir also die Instrumente und das Equipment ins Baer-Mobil und fahren zum Hotel, wo die Band ihre Zimmer für die Nacht gebucht hat. Nur einen Moment später stehen wir alle an der Bar des Clubs, welcher sich im Keller der Unterkunft befindet und bestellen Gin-Tonics für alle. Gemeinsam stossen wir an und schwingen das Tanzbein zu Hits von Abba, Macklemore und den Black Eyed Peas. Was für eine Nacht!

09:45 Uhr

(The morning after – aka Epilogue)

Leicht verkatert und noch immer etwas wackelig auf den Beinen, steige ich zu Silvan ins Auto und knabbere an den Resten des Brötchens vom Vorabend. Wir reden kaum, aber das braucht es auch nicht, denn das leichte Grinsen spricht Bände, welches wir während der ganzen Fahrt zurück auf unseren Gesichtern tragen.

Text von Tania Barros
© ABSUS ILLUSTRATIONEN