Raina Moser
Raina Moser
11.02.2021

Wenn man schreiben neu erlernt

Seit der ersten Klasse lernen wir zu schreiben. Buchstabe für Buchstabe, Wort für Wort, Satz für Satz. 19 Jahre hatte ich Zeit zu üben, bis ich im Kurs «Textliches Storytelling» alles wieder neu lernte.

Schreibmaschine braun

Die ersten Jahre unseres Lebens kommunizieren wir über die mündliche Sprache. Ab der ersten Klasse erlernen wir die Kunst des Schreibens Schritt für Schritt. Wir entwickeln einen eigenen Wortschatz und einen eigenen Stil, um uns mündlich wie schriftlich auszudrücken. Doch können wir behaupten, jemals die schriftliche Sprache zu beherrschen und unseren Stil gefunden zu haben?

Nun sitze ich mit meinem Laptop am Küchentisch. Ich starre in ein leeres Word-File. Einen Text über Corona und «irgendwas» soll ich schreiben, so lautet der Auftrag des Dozenten. Meine Gedanken regen sich, über Zahlen und Auswirkungen der Coronakrise. Ich schaue mich um, mustere die Küche und das Chaos, welches ich später noch in Ordnung bringen sollte. Ich wende meinen Blick Richtung Wohnzimmer, zur Couch, welche so verlockend aussieht. Hinüber zu den Pflanzen, welche nach Wasser verlangen. Da kommt die Idee: Corona und die Umwelt. Was hat die Coronakrise eigentlich für Auswirkungen auf die Umwelt? Einfach etwas erfinden ist nicht Teil des Auftrags. Verlässliche Quellen müssen her, und Wikipedia ist keine. Obwohl ich seit Jahren auf Google unterwegs bin, muss ich auch das «googlen» neu lernen. Aber das ist ein anderes Thema.

Die Grundidee, mögliche Inhalte und eine grobe Struktur sind für die Verfassung eines Artikels wichtig. Und auch, dass dabei eine Geschichte erzählt wird. Das haben wir im Kurs «Textliches Storytelling» gelernt. Damit hatte ich zu Beginn noch meine Mühe. Aber wie man weiss, Übung macht den Meister. Doch dass ist nicht das Einzige, was mir aus dem Kurs geblieben ist. Obwohl ich gerne schreibe – als Teenager sogar mal mein eigenes Buch begonnen habe – finde ich mich zu Beginn des Kurses etwas verloren wieder, was Satzstellungen, Satzlänge und Auswahl der Wörter betrifft. In der Lehre hatte ich mir schönklingende, verschachtelte und mit Füllwörtern ausgedehnte Sätze antrainiert. Alles bereits wieder nicht mehr aktuell, oder war es vielleicht auch nie. Ein Gedanke, ein Satz, das ist die Devise. Kurze Sätze heisst es. Einfach und verständlich soll es sein, und doch aussagekräftig.

In meinem Word-File finde ich nun bereits einige Sätze. Mit viel Enthusiasmus schreibe ich weiter. Satz für Satz. Ich gerate in einen Zustand, in dem meine Finger einfach über die Tastatur gleiten. Genau so plötzlich wie ich mich in diesem Schreibfluss befinde, stehe ich auch schon vor der ersten Schreibblockade. Die kommenden Sätze schreibe ich, nur damit ich sie anschliessend umschreibe. Sie sind zu lang, zu kompliziert. Ich frage mich, ob da nun ein Komma kommt oder nicht. Ich denke mir, dass es das Beste wäre, die Sätze zu trennen. So erübrigt sich auch die Komma-Frage. Ich versuche, Wortwiederholungen zu beseitigen. Anstelle von «gehen» probiere ich Wörter wie «schlendern» oder «eilen» zu benutzen.

Dies sind nur wenige Beispiele wie ich meine schriftliche Ausdrucksweise verbessern kann. Ich fand den Kurs äusserst interessant und egal, welche Textart ich heute verfasse, denke ich an alle Inputs zurück, die ich erhalten habe.

Auch nach knapp 20 Jahren als Schreiberin komme ich zur Erkenntnis, man lernt nie aus. Immer wieder wird man mit neuen Erfahrungen, Ansichten und Wissen bereichert. Sei dies im Business Communications Studium an der HWZ oder im Leben im Allgemeinen.

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