Günstiger ÖV für ein grünes Zürich – aber wie?
Stell dir vor, du könntest in einer Stadt leben, in der Staus und Luftverschmutzung der Vergangenheit angehören. In unserer Semesterarbeit im Kurs «Public Affairs» haben wir uns überlegt, wie wir dieses Szenario für Zürich politisch erreichen können. Unser Ziel: Der öffentliche Verkehr soll so attraktiv werden, dass niemand mehr mit dem Auto zur Arbeit fahren will.
Das politische System der Schweiz ermöglicht es, dass Ideen von Bürger:innen auf politischer Ebene umgesetzt werden können. Der Kurs «Public Affairs» befasst sich mit den Mechanismen, die genutzt werden können, um ein politisches Anliegen umzusetzen. Dafür braucht es neben einem Verständnis für die verschiedenen politischen Strukturen auch das Wissen über verschiedene Instrumente wie Campaigning und Lobbying.
Bitte einsteigen: die Herausforderung
Zürich ist die grösste Stadt der Schweiz und Drehscheibe für Kultur, Wirtschaft und Tourismus. Die vielen Menschen, die in der Stadt unterwegs sind, erfordern ein leistungsfähiges und effizientes Verkehrssystem. Doch vor allem der Individualverkehr ist zunehmend überlastet. Autofahrer:innen verlieren in Zürich jährlich 50 Stunden im Stau. Im internationalen Vergleich schneidet unsere Landeshauptstadt damit schlechter ab als deutlich grössere Städte. Trotz der progressiven politischen Ausrichtung Zürichs wurden in der Vergangenheit Initiativen für einen vergünstigten oder kostenlosen öffentlichen Verkehr abgelehnt. Es gilt also, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und einen überzeugenden Plan zu schmieden. Wir schlüpfen dabei in die Rolle der SP Stadt Zürich.
↑ Vernichtet Zeit und verursacht Emissionen: so stellt sich die künstliche Intelligenz Stau in Zürich vor.
Zieldestination: ein grüneres Zürich
Die Stadt Zürich hat sich in einer Volksabstimmung verpflichtet, bis 2040 klimaneutral zu werden. Dies soll unter anderem durch den Ausbau des öffentlichen Verkehrs erreicht werden. Unser Ziel ist es deshalb, diesen künftig attraktiver zu gestalten. Mit angepassten Tarifmodellen – oder ganz unbürokratisch «Preissenkungen» – wollen wir die Bevölkerung motivieren, den ÖV zu nutzen und damit die Strassen zu entlasten.
Welcher Fahrplan führt am ehesten zum Erfolg?
Wie müssen wir vorgehen, wenn wir in Zürich ein politisches Projekt umsetzen wollen? Wir beginnen im Gemeinderat, der Legislative der Stadt: Jedes der 125 Ratsmitglieder kann politische Vorstösse einreichen. Aus den verschiedenen Arten von Vorstössen wählen wir eine Motion, weil sie die Ausarbeitung eines konkreten Gesetzes verlangt. Sobald die Motion eingereicht ist, wird sie von der Exekutive der Stadt, dem Stadtrat, behandelt. Dieser berät die Motion und gibt eine Empfehlung an den Gemeinderat ab. Dieser entscheidet dann, ob ein Gesetz auf der Grundlage der Motion ausgearbeitet werden soll.
Erster Halt: Stadtrat
Die erste Hürde für unser Vorhaben ist also der Stadtrat mit seinen neun Mitgliedern. Dieses Gremium ist links-grün dominiert, hat aber in der Vergangenheit ähnliche Vorstösse abgelehnt. Als Kollegialbehörde tritt der Stadtrat nach aussen geschlossen auf. Wir wissen daher nicht, wer gegen die früheren Vorstösse gestimmt hat und können nur Vermutungen anstellen. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, sechs der neun Mitglieder von unserem Vorhaben zu überzeugen, so dass wir beim Wegfall einer Stimme immer noch die Mehrheit des Rats auf unserer Seite haben.
↑ Der Stadtrat von Zürich: Dieses Gremium müssen wir überzeugen, damit es dem Gemeinderat unsere Motion zur Annahme empfiehlt.
Lobbying: Navigation durch das politische Netz
Wir konzentrieren uns also auf die einflussreichen Mitglieder des Stadtrats, die noch nicht von unserem Anliegen überzeugt sind. Nun beginnt die Recherchearbeit: Gibt es gemeinsame Nenner, die wir nutzen können, um an diese Personen heranzukommen? Über welchen Verein, welche Ortspartei, welches Gremium haben wir Zugang zu diesen Personen? Wir versuchen auch herauszufinden, wie sich diese Personen in der Vergangenheit zu verwandten Themen ausgesprochen haben. Diese Erkenntnisse können wir nutzen, um auf die Person zugeschnittene Argumente vorzubereiten: Während einem FDP-Stadtrat schlüssig dargelegt werden muss, wie die Einnahmelücke finanziert werden kann, kann bei einem Stadtrat der Grünen Partei mit den Emissionseinsparungen oder dem Netto-Null-Ziel der Stadt argumentiert werden.
Freie Fahrt durch gezieltes Campaigning
Im Vorfeld unserer Lobbying-Aktivitäten setzen wir zusätzlich auf Campaigning in der Öffentlichkeit: Mit einer Petition wollen wir den Entscheidungsträger:innen – also den Mitgliedern des Stadt- und Gemeinderates – aufzeigen, welchen Rückhalt das Anliegen in der Bevölkerung hat. Streng genommen hat eine Petition keine politische Wirkung, faktisch ist sie aber ein starkes Mittel, um politischen Druck aufzubauen. Sie unterliegt auch keinen Formvorschriften bezüglich der Anzahl oder der Herkunft der Unterschriften. In unserem Fall könnten wir beispielsweise auch Personen einbeziehen, die in Zürich arbeiten, aber nicht in der Stadt wohnen oder stimmberechtigt sind.
Rückenwind dank digitaler Kanäle
Für die Petition erstellen wir eine einfache Microsite und bauen Social Media Kanäle auf. Als SP der Stadt Zürich verfügen wir über eine Social-Media-Community sowie einen grossen Newsletter-Verteiler, den wir für die Verbreitung des Anliegens nutzen können. Wir unterstützen diese Massnahmen mit bezahlter Werbung und setzen dabei ausschliesslich auf digitale Kanäle, um einen Medienbruch auf dem Weg zur Unterzeichnung der Petition zu vermeiden. Wir verwenden Social Media Ads und Display Ads (Bannerwerbung), die wir im geografischen Raum Zürich schalten. Durch geschicktes Zielgruppenmanagement können wir mit verschiedenen Testgruppen (z.B. segmentiert nach politischer Einstellung, Alter, Quartier) schnell herausfinden, wo wir viele Unterschriften generieren können. Je mehr Unterschriften wir sammeln, desto stärker können wir dem Stadtrat die Wichtigkeit des Anliegens aufzeigen.
↑ Der ÖV stellt einen zentralen Pfeiler für die Erreichung des Netto-Null-Ziels der Stadt Zürich dar.
Endstation Erfolg: Der Weg zur politischen Umsetzung
Die erfolgreiche Petition ist ein eindrückliches Signal für die breite Unterstützung unseres Anliegens in der Bevölkerung. Sie ist ein starkes Zeichen, dass die Zürcher:innen bereit sind, für eine nachhaltigere und effizientere Mobilität zu stimmen. Dies erhöht den Druck auf den Stadtrat, unsere Motion zu unterstützen und signalisiert gleichzeitig, dass bei einer Ablehnung das Potenzial für eine Volksinitiative besteht. Damit gewinnen wir nicht nur an politischem Gewicht, sondern schaffen auch ein Bewusstsein für die Dringlichkeit unseres Anliegens.
Fazit: Eine Fahrt in Richtung Zukunft
Während unserer Semesterarbeit haben wir gelernt, dass Public Affairs ein sehr interessantes, aber auch unglaublich komplexes Feld ist. Wir haben uns damit beschäftigt, wie man eine politische Idee in die Praxis umsetzt und dabei sowohl politische Entscheidungsträger als auch die Öffentlichkeit durch Lobbying und Campaigning einbezieht.
Vor allem aber hat uns der Kurs gezeigt, wie einzigartig unser politisches System ist: Jeder von uns kann sich aktiv am politischen Geschehen beteiligen und hat die Möglichkeit, konkrete Veränderungen zu bewirken.
Alle Bilder wurden mit ChatGPT generiert.